NWR plädiert für Nachhaltigkeit bei Wasserstoffimporten

Berlin, 5. November 2021

Der Nationale Wasserstoffrat (NWR) hat in seiner Sitzung am 29. Oktober 2021 Nachhaltigkeitskriterien für Importprojekte von erneuerbarem Wasserstoff und Power-to-X-Produkten beschlossen. Die NWR-Vorsitzende Katherina Reiche erklärte dazu, dass der zügige Aufbau der globalen Wasserstoff-Wirtschaft unerlässlich für die Erfüllung der Klimaziele sei. Deutschland sei auf den Import von Wasserstoff angewiesen, um die prognostizierten Bedarfe zu decken. In diesem Prozess sei es entscheidend, rechtzeitig Kriterien für eine nachhaltige Produktion und Nutzung von Wasserstoff zu formulieren. „Wenn dies nicht geschieht, besteht die Gefahr, dass die gewünschten Effekte der Wasserstoffnutzung auf das globale Klima durch andere Effekte konterkariert werden“, so Reiche. Mit den Kriterien würde ein wichtiger Beitrag zur gesellschaftlichen Akzeptanz des Wasserstoffhochlaufs geleistet, andererseits hätten allgemein akzeptierte Nachhaltigkeitskriterien die Funktion von verlässlichen Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen und Investoren. Großen Wert legt der NWR auf den Bezug der Nachhaltigkeitskriterien auf die Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen, um Entwicklungsziele und Wasserstoffproduktion miteinander zu verzahnen.

Für mögliche Exportländer vor allem des globalen Südens sei der Aufbau der Wasserstoff mit Chancen und Risiken verbunden. Positiv könnte sich beispielsweise die Entwicklung auf die lokale Wertschöpfung und den Aufbau von Arbeitsplätzen auswirken. Auch dringend benötigte Direktinvestitionen würden durch eine globale Wasserstoffwirtschaft erfolgen. Für die Energiewirtschaft der Exportländer wäre damit außerdem ein beschleunigter Wandel von fossilen zu regenerativen Energiequellen verbunden. Schließlich, so Reiche, seien Energiepartnerschaften langfristig angelegt und trügen so zur regionalen Stabilisierung bei. Risiken für die Exportländer könnten unter anderem darin liegen, dass die Nutzung erneuerbaren Stroms für den Wasserstoffexport zu einer Verlängerung der Laufzeit fossiler Kraftwerke führe. Da zur Produktion von Wasserstoff aus Elektrolyse die knappe Ressource Süßwasser benötigt wird, besteht zudem die Gefahr der Verschärfung von bestehenden Wasserknappheiten. „Die Beeinträchtigung von Ökosystemen, Landnutzungs- und Verteilungskonflikte, aber auch Korruption und Verschuldung sind weitere Risiken in den möglichen Exportländern, die durch klare Nachhaltigkeitskriterien vermieden werden müssen“, mahnt Reiche.

Dafür sei ein Bündel an flankierenden Maßnahmen notwendig: Bei der Rahmensetzung auf zwischenstaatlicher Ebene sind von zentraler Bedeutung das Prinzip der Zusätzlichkeit von erneuerbarer Energie zur Wasserstofferzeugung und eine systemdienliche Betriebsweise der entsprechenden Anlagen. Der Aufbau der Wasserstoffproduktion muss außerdem eingebettet sein in eine nationale bzw. regionale Energiewende. Ebenso muss die Überwindung von Energiearmut als wesentliches Ziel der SDGs muss im Rahmen von Wasserstoffexporten aktiv vorangetrieben werden. Das Hinwirken auf die Einhaltung der Menschenrechte und Standards zur Korruptionsbekämpfung sollten überdies Voraussetzung für jedes Engagement Deutschlands und Europas sein. Schließlich sollten lokale zivilgesellschaftliche Akteure sowie betroffene Menschen vor Ort an Planung, Durchführung und Monitoring von Projekten beteiligt werden und - wenn möglich - auch finanziell profitieren.

Bei den Kriterien für einzelne Wasserstoffprojekte steht nach Auffassung des NWR der CO2-Footprint des Wasserstoffs im Mittelpunkt. Er muss durchgängig über seine gesamte Wertschöpfungskette hinweg zertifiziert werden. Folgenabschätzungen sind vorab zwingend notwendig, bevor einzelne Projekte implementiert werden. Potenzielle Landnutzungskonflikte durch Konkurrenzsituationen sind im Rahmen effektiver und transparenter Beteiligungsprozesse gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung zu lösen und Zwangsumsiedlungen oder illegale Landnahme auszuschließen. Auch müssen Verteilungskonflikte und Gefahren für die Wasserversorgung vermieden werden.

Abschließend konstatiert Katherina Reiche: „Das vom NWR entwickelte Papier reflektiert die Chancen und Risiken des globalen Wasserstoffhandels. Dabei geht es sowohl auf Leitlinien für das zwischenstaatliche Engagement Deutschlands als auch auf projektspezifische Nachhaltigkeitskriterien ein, die proaktiv von der Bundesregierung gesetzt werden sollten.“

Die Stellungnahme steht am Seitenende sowie auf der Seite "Stellungnahmen und Positionen" als Download bereit.

Der Nationale Wasserstoffrat

Mit der Verabschiedung der Nationalen Wasserstoffstrategie hat die Bundesregierung am 10. Juni 2020 den Nationalen Wasserstoffrat berufen. Der Rat besteht aus 26 hochrangigen Expertinnen und Experten der Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft, die nicht Teil der öffentlichen Verwaltung sind. Die Mitglieder des Wasserstoffrats verfügen über Expertise in den Bereichen Erzeugung, Forschung und Innovation, Dekarbonisierung von Industrie, Verkehr und Gebäude/Wärme, Infrastruktur, internationale Partnerschaften sowie Klima und Nachhaltigkeit. Der Nationale Wasserstoffrat wird geleitet durch Katherina Reiche, Vorstandsvorsitzende der Westenergie AG und Parlamentarische Staatssekretärin a. D.

Aufgabe des Nationalen Wasserstoffrats ist es, den Staatssekretärsausschuss für Wasserstoff durch Vorschläge und Handlungsempfehlungen bei der Umsetzung und Weiterentwicklung der Wasserstoffstrategie zu beraten und zu unterstützen.

 

Das Positionspapier "Nachhaltigkeitskriterien für Importprojekte von erneuerbarem Wasserstoff und PtX-Produkten" finden Sie unter dem nachfolgenden Link zum Download:

Nachhaltigkeitskriterien für Importprojekte von erneuerbarem Wasserstoff und PtX-Produkten (PDF, 588 KB)